NRW-Medienstaatssekretär Marc Jan Eumann und der Journalist Konrad Lischka haben ein gemeinsames Thesenpapier zu Netzneutralität veröffentlicht. Ein paar kurze Anmerkungen dazu:
Ich kann dem Inhalt im Großen und Ganzen weitgehend zustimmen. Bei Punkt 5 widerspreche ich allerdings, was „E-Health, IP-Telefonie oder Videokonferenzen“ betrifft: E-Health geht heute und auch in Zukunft (problemlos) über eigene Leitungen, die teils auch nur virtuell sind, beispielsweise wird die Gesamtkapazität einer Glasfaser aufgeteilt und in Stücken vermietet. Das ist natürlich in Ordnung, betrifft aber nicht den normalen Heim-Zugang.
IP-Telefonie kann man explizit nicht als „Managed Service“ haben wollen, denn das sorgt wieder für eine Konzentration auf die großen Anbieter. Zumal IP-Telefonie nach der Vermittlung „in richtig“ Ende-zu-Ende ist: die Telefone reden direkt miteinander, und sollen natürlich in den unterschiedlichsten Netzen stehen dürfen. Aber Telefonie ist aufgrund des geringen Volumens auch ein geringes Problem und ließe sich mit (erlaubtem) Netzwerkmanagement auch bei relativ vollen Leitungen gut behandeln; nur wenn die Übergabepunkte in Hauptzeiten voll sind, kommt man über Kapazitätserweiterung nicht herum, aber das ist auch gut so! Ähnliches gilt für Videokonferenzen, da ist die Datenmenge allerdings größer. Dafür kann man da auch mal auf ein paar Bilder verzichten.
Aber ganz wichtig: Bei T-Entertain muss man m.E. stark aufpassen: für normales Live-Fernsehen über Internet-Kabel habe ich kein Problem damit, wenn das entsprechend priorisiert und natürlich nicht auf den Traffic eingerechnet wird. Analog zum TV-Kabel oder Sat-Empfang von ganz normalen Fernsehsendern.
T-Entertain enthält aber auch Video-on-Demand-Angebote. Diese dürfen auf keinen Fall privilegiert werden, denn das würde andere Anbieter – sei es die großen wie Netflix, Youtube usw., aber auch kleinere Anbieter – benachteiligen. Es würde ein potentielles Bewegtbild-Monopol der Telekom schaffen, mit allen Folgen für die Medienvielfalt. Denn es könnte bedeuten: On-Demand-Videos über T-Entertain werden nicht auf ein Inklusiv-Volumen angerechnet. Youtube, Vimeo, Netflix oder Maxdome schon. Wer diese nutzt, hat schnell sein Inklusiv-Volumen aufgebraucht und kriegt nur noch Ruckel-Internet. Die Medienvielfalt bei Bewegtbildern wäre wieder eingeschränkt: Inhalte, die nicht bei T-Entertain abrufbar sind, hätten es deutlich schwerer. Kann man in Bezug auf verrückte Islamisten befürworten, aber ich denke wir sind uns einig, dass eine solche Benachteiligung meiner tollen Eichhörnchen- und Demo-Videos bei Youtube oder anderswo nicht gewünscht sein kann ;-) – Im Ernst: wir haben nicht zu entscheiden, welche Inhalte wertvoll sind und welche nicht. Medienvielfalt behandelt alle gleich. Wertvolle Inhalte müssen anderweitig gefördert werden.
Zum Schluss noch ein paar Kleinigkeiten:
-
Bei Punkt 1 ist für die Medienvielfalt noch wichtig: der Endkundenprovider ist zwar meist nicht für den Endkunden ein Monopolist. Meist – vor allem in Städten – kann der Kunde zwischen mehreren wählen. Aber für den Inhaltsanbieter ist der Access-Provider des Endkunden immer der Monopolist, über den er diesen einen und die vielen anderen bestimmten Endkunden erreichen muss. Ohne Wahl-Möglochkeit.
- Peering, bei dem bezahlt wird, nennt man üblicherweise Transit. Peering machen Provider i.d.R. dann, wenn in beide Richtungen etwa gleich viel Daten laufen. Wenn ein anderer mehr einliefert, dann wollen die Provider in der Regel Geld sehen und machen nur noch Transit. Update: In diesem Artikel sind die Begriffe anders beschrieben: Paid-Peering für asymatrisches bezahltes Peering und Transit, wenn quasi alle Daten übergeben werden. Für mich bedeutete Transit bisher nicht zwangsläufig „alle Daten“, sondern auch „alles für bestimmte Netze“. Scheint wohl unterschiedlich aufgefasst zu werden – wie man es nennt, ist letztendlich auch egal.
Marc Jan Eumann und der Journalist Konrad Lischka: Wir müssen über Peering reden – sieben Thesen zur Netzneutralität
Joachim
Ich frage mich, ob und wie lange es noch möglich ist, für etwas mehr Geld einen Zugangsanbieter zu "ergattern", der einen Zugang mit garantierten Leistungen und ohne Einmischung zur Verfügung stellt. Sozusagen einen kleine Standleitung mit begrenzter, definierter Bandbreite, allen Protokollen und selbstverständlich ohne "Überwachung", ohne DPI, ohne VDS, meinetwegen dafür mit fester IP. NAT ist ja kein Sicherheitsfeature...
Dieses "Gedankenspiel" wirft Fragen auf:
1) Wird es in Zukunft unmöglich, diesen Wunsch zu realisieren?
2) Welche Leistungen gehen mir bei einem solchen Anbieter verloren?
IPTV? VoIP? Anonymität? Ich denke nicht. Ich denke, das Gegenteil ist der Fall.
3) Darf man kritische Infrastruktur über das Netz realisieren? Wenn ja, welche Voraussetzungen sind dafür notwendig? Und was muss ich tun, wenn meine persönliche Infrastruktur für mich kritisch ist? Wie hilft mir das "Premium-Angebot" der Telekom da? Oder ist dieses Angebot nur ein Konsumangebot (und damit nicht recht kompatibel zum Netz)?
4) Welchen Schluss darf man daraus ziehen, dass ich mich versuche, einer Überwachung zu entziehen? Schlimmstenfalls: Raubmörderkopierer? Terrorist? Wenn ja, wie ist es zu werten, dass der von mir gewünschte Anschluss durchaus mit mehr Kosten realisierbar ist?
Noch eine Anmerkung: Es ist klar, dass T-Entertain nicht das Internet nutzt. Die Medien werden nur auf den letzten Metern über das selbe Kabel transportiert. T-Entertain hat nichts mit der Netzneutralität zu tun. Vom mir aus dürfen die so viel Video on Demand über ihre Leitungen senden, wie es der Nutzer gerade noch aushält. Ich aber brauche das nicht.