Ex-AfD-Politiker verklagt mich

Ein Ex-AfD-Politiker und ehemaliger Kandidat zum Bundestag hat beim Amtsgericht Hamburg eine einstweilige Verfügung beantragt: ich solle unter WEN WÄHLEN? die Information löschen, dass er 2013 für den Bundestag kandidiert hat. Denn seine Nennung dort wäre u.a. ein Eingriff in seine Privatsphäre.

Dass ex-Bundestags-Kandidaten mit Anwalt oder Klage drohen weil sie ihre Kandidatur im Nachhinein geheim halten wollen ist nun nichts neues. Dazu habe ich ja auch letztens schon etwas ausführliches geschrieben. In hartnäckigen Fällen empfehle ich, sie sollen sich die Gründe für die Nicht-Löschung von ihrem Anwalt erklären lassen. Aber ein Ex-AfD-Politiker, selbst „Unternehmensjurist (Syndikus)“ hat nun beim Amtsgericht Hamburg eine einstweilige Verfügung beantragt, dass ich die Seite über seine Kandidatur auf der hessischen Landesliste der AfD löschen solle. Und weil es dringend sei, gleich ohne mündliche Verhandlung.

Das Gericht sah das nicht so eilig und hat für den 21. Januar eine (natürlich öffentliche) Verhandlung einberufen und mit aktuellem Beschluss wieder abgesagt

Donnerstag, 21.1. 2016, 13:30 Uhr
Sitzungssaal A 045, Erdgeschoss, Sievekingplatz 1 (Ziviljustizgebäude)
20355 Hamburg

(Sollte sich etwas ändern, werde ich es hier im Blog erwähnen)
Der Termin ist abgesagt, Details im neuen Artikel Gericht: Nennung eines Ex-Bundestagskandidaten der AfD ist rechtmäßig!

Ich sehe keine realistische Gefahr, dass der Antrag durch kommt. Zum einen gibt es keine Eilbedürftgkeit, da dem Ex-AfD-Politiker die Webseite mindestens seit dem 7. September 2015 bekannt ist (da hat er seine erste Mail mit Bitte um Löschung geschrieben), und die Gerichte sehen üblicherweise nach vier Wochen schon keine Eilbedürftigkeit mehr. Zum anderen wäre das kaum mit Artikel 5 unseres Grundgesetzes vereinbar, die Details dazu habe ich letztens erläutert.

Zwar argumentiert der zwischenzeitlich aus der AfD ausgetretene ehemalige Kandidat, dass die „offen rassistischen, deutsch-nationalen und rechtsradikalen Tendenzen“ der AfD geeignet seien, sein „berufliches Fortkommen zu gefährden“, wenn die Information über seine Kandidatur via Google auffindbar ist. Man kann sich das auch so vorstellen: ein Politiker erzählt Unsinn, sieht das nach Kritik viel später ein und will allen verbieten zu sagen, dass er damals Unsinn erzählt hat.

Es käme auch einer Geschichtsfälschung gleich, wenn die wahre Tatsache, dass er 2013 für die AfD kandidiert hat, gelöscht würde. Eine Reihe von Urteilen des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte haben klar gestellt: Eine (relative) Person der Zeitgeschichte muss selbst dann eine Berichterstattung über ihre öffentlichen Aktivitäten dulden, wenn diese (ihr) peinlich oder unangenehm sind oder gar verletzend, schockierend oder beunruhigend wirken. Von daher sehe ich dem sehr gelassen entgegen. Auf der betreffenden Seite (hier zum Beispiel das ebenfalls nicht ausgefülte Profil von Angela Merkel) steht nicht viel – das aus Sicht des Antragstellers ehrenrührige ist dabei allerdings die Tatsache, dass er für die AfD kandidiert hat. Dies ist eine Information, die per Gesetz öffentlich ist.

Kleine Sache am Rande: der Richter hat nun in einem weiteren Schreiben mitgeteilt, dass er den Antragsteller aus „privaten Studientagen kennt“, aber da sie seit 10 Jahren keinen Kontakt hatten sehe er sich nicht als befangen an. Im gleichen Schreiben fordert er den Antragsteller auf, eine Ladungsfähige Anschrift zu nennen – der Termin konnte wohl nicht zugestellt werden. Na dann, da werden einige Sachen ja durchaus noch spannend …

Updates: Typos und Kleinigkeiten; Ergänzungen zum abgesagten Termin.