Das Recht auf private Suchmaschinenzensur am Beispiel von Bettina Wulff

Was Bettina und Christian Wulff schon 2012 aus Google entfernt haben wollten

Zum unsäglichen Recht auf Suchmaschinenzensur wurde schon viel kritisches geschrieben, eine ganz gute Übersicht hat Thomas Stadler erstellt. Kann man nun nach der umfangreichen fachlichen Kritik die Hoffnung haben, dass vielleicht doch eine milde Umsetzung erfolgt? Eher nicht: angeblich wollen 51% der Deutschen Suchergebnisse entfernen lassen, und interessierten Kreisen passt das ganze sowieso: hauptsache auf Google draufhauen, alle Nebenwirkungen sind da egal.

Aber was wollen die Antragsteller üblicherweise aus Suchmaschinen rauswerfen? Für einen Vorgeschmack kann man sich den Fall Bettina Wulff anschauen: 

wulff-mail.pngDie damalige Ehefrau des zurückgetretenen Bundespräsidenten Christian Wulff wollte 2012 gegen Gerüchte im Internet über ihr Vorleben vorgehen. Aber anstatt gegen die Autoren der Texte selbst vorzugehen, verlangte ihr Anwalt von Google, dass die Texte nicht mehr in den Suchergebnissen der Suchmaschine erscheinen sollten. Der Grund für dieses Vorgehen dürfte klar sein: bei einem Großteil handelt es sich nicht um rechtswidrige Inhalte.

wulff-liste-s1.jpgZum Beispiel auf Platz 3 von 51 dieser Liste befindet sich ein Artikel von mir über die Internet-Beschimpfung von Michael Naumann, ehemals Kulturstaatsminister und Chefredakteurs des Magazins Cicero. Er beschwert sich über die angeblich anonyme Hetze im Internet im Fall Wulff – und die Liste von Wulffs Anwalt zeigt sehr schön, dass ein Großteil der einschlägigen Berichterstattung auch abseits der Massenmedien eben nicht anonym ist: es sind mehrere Artikel aus dem Freitag dabei, viele .de-Domains, außerdem Wordpress.com, bei dem man auch gegen rechtswidrige Äußerungen vorgehen kann. Bei mir hat sich nie ein Anwalt der Wulffs wegen meinem angeblich „rechtswidrigen“ Artikel gemeldet.

wulff-liste-s2.jpgAber die Liste zeigt auch, auf was wir uns gefasst machen müssen: Wenn tatsächlich ein relevanter Anteil der Menschen in Deuschland Inhalte aus Suchmaschinen entfernt haben will, dann wird die Meinungs- und Informationsfreiheit deutlich eingeschränkt werden. Denn es geht ja explizit nicht um rechtswidrige Inhalte, die nicht mehr gefunden werden sollen, sondern um rechtmäßige, von denen aber die betroffene Person sich nicht richtig dargestellt sieht. Statt zu einem Ort der Meinungsfreiheit, der innerhalb des geltenden Rechts auch kritische und verrückteste Meinungen duldet, könnte das Internet im Extremfall ein Stückchen mehr zum unkritischen, lobhudelnden Konsummedium für das Klickvieh werden. 

Neu ist das übrigens nicht. Google hat schon vor Jahren ohne richterliche Anordnung Suchergebnisse aus dem Index geworfen wenn sich jemand beschwert hat, wie ich 2006 und 2007 bei Vorträgen beim CCC in Stuttgart und Ulm gezeigt habe (siehe Präsentation ab Seite 16) bzw. wie in diesem Beitrag dargestellt wird. Neu ist, dass dies nun massenweise geschehen wird.

Niemand hat nach bisheriger deutscher Rechtsprechung das Recht, dass in der Öffentlichkeit nur so über ihn berichtet wird, wie er es gerne hätte. Es hat immer eine Abwägung mit anderen Grundrechten wie der Meinungsfreiheit statt zu finden. Der EuGH öffnet nun Tür und Tor zu einer anderen Sichtweise: das Persönlichkeitsrecht hat demnach regelmäßig Vorrang vor der Meinungs- und Informationsfreiheit, damit wäre es also eine Art Supergrundrecht, das alle anderen schlägt. Wie schlimm es wirklich wird, werden wir sehen.

Mir stellen sich aber auch noch ein paar weitere Fragen: wen muss ich eigentlich verklagen, wenn ich den Eindruck habe, dass ein Inhalt von mir unberechtigt aus den Suchergebnissen fliegt? Google oder den Antragsteller? Erfahre ich überhaupt davon? Erfahre ich den Namen des Antragstellers? Fragen über Fragen …