Wie der YouTube-Algorithmus Nazi-Trolle fördert

Wenn es um Filterblasen, Hass im Netz und rechtsextremistische Fake-News-Propaganda geht, steht meist Facebook im Mittelpunkt der Diskussion. Dabei spielt YouTube eine viel zu wenig beachtete Rolle. Wie der YouTube-Algorithmus Nazi-Trolle fördert, das kann man sehr gut bei der aktuellen Doku über Nazi-Hass-Trolle von Rayk Anders auf YouTube sehen:

yt-lösch-dich-videoempfehlungen-nichtangemeldet-kl.pngAuf der rechten Seite und am Ende eines Videos sowie auf der Startseite zeigt YouTube Empfehlungen für andere Videos an. Bei halbwegs erfolgreichen Videos machen diese Videoempfehlungen rund 75% bis 95% der Aufrufe aus, die man als YouTuber in den Statistiken zu den eigenen Videos sehen kann. Der restliche große Teil kommt von der Video-Suche. Aber wie wählt Google/YouTube die empfohlenen Videos aus? 

yt-lösch-dich-videoempfehlungen-kl.pngDer YouTube-Empfehlungs-Algorithmus bezieht sehr stark die Interaktionen der Nutzer mit ein: je mehr Kommentare, Likes und Dislikes ein Video hat, desto besser. Videos, die von den gleichen Leuten angeschaut und kommentiert werden, passen für YouTube zusammen, werden als Videoempfehlung angezeigt. Bei der Doku über Nazi-Hass-Trolle bekommt man als nicht angemeldeter User unter den wichtigen sechs ersten Empfehlungen vier mal Videos aus der rechtsextremen Troll- und Troll-Fanclub-Ecke empfohlen, einmal Jan Böhmermanns Ergänzung zum Film und einmal eine vermutliche Urheberrechtsverletzung. Und auch bei der Suche ist die Anzahl der Interaktionen wichtig, damit ein Video oben in den Suchergebnissen erscheint.

lösch-dich-kommentare-kl.pngAls angemeldeter User ist es ein wenig anders, da gibt es bei mir nur noch drei von sechsmal Zeug aus der rechtsextremistischen Möchtegern-Nazi-Troll-Spacko-Ecke, zweimal Böhmermann/Neo-Magazin und einmal Walulis. Dies hängt aber auch davon ab, welche Videos man eben sonst so sieht. 

Aber nicht nur die Video-Empfehlungen sorgen dafür, dass der Kram aus der rechten Troll-Ecke hochgespült wird. Auch bei den Videokommentaren selbst werden üblicherweise die „Top-Kommentare“ oben angezeigt. Und das sind die mit vielen Interaktionen. Der unbedarfte Leser, den die Trolle laut ihrem „Handbuch für Medienguerillas“ ansprechen wollen, sieht nahezu nur noch die Propaganda der rechten Trolle.

Dies alles sind Gründe dafür, dass provokante, extreme, extremistische Videos auf YouTube erfolgreich sind. Im Bereich der Politik bedeutet das: Je wilder, je extremistischer, je verrückter, desto mehr Kommentare und andere Interaktionen – und damit umso mehr Zuschauer. Auch die #AfD spielt mit solchen Provokationen und wird daher daher deutlich öfter gesehen als andere Parteien. Aufmerksamkeit ist die wichtigste Währung im Netz. Ich habe es mit einem seriösen Politik-Kanal und seriösen Gesprächen versucht, das klappt deutlich schlelchter als wildes Geschrei. Und die Zuschauer werden dank der Kommentierfreudigkeit der Trolle und des Algorithmus hin zu den Verschwörungstheorien, Beschimpfungen, Reconquista Germanica, den Identitären und anderen AfD-Fan-Videos geleitet. Solche Videos kommen schnell auf zehntausende bis hunderttausende Views. In einer Zeit, in der große Teile der Jugend ihre politische Bildung aus YouTube herauszieht, halte ich das für sehr gefährlich: Lügen, Fake-News, Hetze, Hass und Extremismus stehen da als gleichberechtigte „Meinung“ vor seriöser Berichterstattung. Die Views der Videos der seriösen Parteien oder seriöser Nachrichten sind marginal.

Der YouTube-Algorithmus bevorzugt nicht per se (rechts-)extremistisches Gedankengut. Da aber extreme Inhalte, Lügen und Gekreische gerne kommentiert werden, bevorzugt der Algorithmus sie indirekt. Sollten als Folge also seriöse politische Akteure mehr herumkreischen und provozieren? Oder anders gesagt: ist eine Verrohung des politischen Diskurses die richtige Lösung? Sicherlich nicht. Sondern Google/YouTube muss endlich einsehen, dass diese Art des Rankings bei seriösen politischen Videos nicht funktioniert und wir alle aus der demokratischen Zivilgesellschaft müssen endlich aufhören, den Extremisten-Spackos das Feld zu überlassen. Reconquista Internet ist da sicherlich ein erster guter Schritt!